Neue Beihilfenregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Kommission startet Konsultation zur Rundfunkmitteilung

Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sorgen in Deutschland regelmäßig für kontroverse Diskussionen. Für umfangreiche Reformen der Vorschriften für die Rundfunkanstalten bedurfte es in der Vergangenheit entweder interner Versäumnisse wie in der „Causa Schlesinger“ beim RBB oder eines externen Anstoßes durch das europäische Beihilfenrecht. Womöglich bahnt sich gerade der nächste externe Anstoß an: Denn die EU-Kommission hat am 15. Oktober eine Konsultation zur „Rundfunkmitteilung“ gestartet.

Hintergrund
Bereits 2001 erließ die Kommission die „Mitteilung der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ (Abl. 2001, C-320/05), mit der sie ihre eigene Position bei der Anwendung der Vorschriften auf die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten konsolidierte. 2009 erfolgte die letzte Novellierung der Rundfunkmitteilung (Abl. 2009, 257/01).


Anlass für den Erlass der Mitteilung waren zahlreiche Beschwerden privater Medienanbieter über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in zahlreichen Mitgliedstaaten, die seit Ende der 1990er-Jahren die Kommission beschäftigten (eine Liste der Kommissionsentscheidungen ist hier einsehbar). In den meisten Fällen erblickte die Kommission in den mitgliedstaatlichen Finanzierungsmechanismen eine tatbestandliche Beihilfe: Zwar könnten öffentlich-rechtliche Rundfunkdienstleistungen eine DAWI darstellen, doch fehlte es den gesetzlichen Definitionen meist an einer hinreichenden Präzision.


Zusätzlich hielt die Kommission die Finanzierung regelmäßig für unvereinbar mit den Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV und schlug daher den Mitgliedstaaten eine Reihe zweckdienlicher Maßnahmen zu deren Erfüllung vor. Im Wesentlichen bezogen sich die vorgeschlagenen Maßnahmen auf eine (deutliche) Präzisierung der gemeinwirtschaftlichen Rundfunkdienstleistung sowie die Sicherstellung einer verhältnismäßigen Ausgleichszahlung für deren Erbringung.


Auf diese Weise hat das Beihilfenrecht auch das Recht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wesentlich geprägt: Im sogenannten Beihilfenkompromiss von 2007 (KOM (2007), 1761) gaben die für den Rundfunk zuständigen Länder umfangreiche Zusagen ab, um die Finanzierung der Rundfunkanstalten über die Rundfunkgebühr mit Art. 106 Abs. 2 AEUV in Einklang zu bringen. Diese Zusagen wurden – weitgehend – durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahre 2009 umgesetzt. Die damals eingeführten Regelungen auch heute noch: Die Beauftragung mit einem Fernseh-, Radio- oder Online-Angebot erfolgt seitdem entweder durch Gesetz (z. B. für Fernsehsender in § 28 Medienstaatsvertrag [MStV]) oder im Wege eines „Drei-Stufen-Tests“ durch die Rundfunkräte der Anstalten. Kommerzielle Tätigkeiten wie der Verkauf von Werbezeiten, Programmrechten oder Merchandising zählen nicht zum Auftrag und müssen durch selbständige Tochtergesellschaften zu Marktbedingungen erbracht werden, um eine Quersubventionierung durch Beitragsgelder auszuschließen (vgl. § 40 MStV).

Die Rundfunkmitteilung von 2009
Gerade die Ergebnisse des deutschen Beihilfenkompromisses von 2007 sind in die Rundfunkmitteilung von 2009 eingeflossen: Die Kommission nimmt darin an, dass eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über Abgaben oder aus dem Staatshaushalt regelmäßig aus staatlichen Mitteln erfolgt. Auch eine Begünstigung liegt in der Regel vor, da zumeist (mindestens) das zweite und vierte Altmark Trans-Kriterium verfehlt werden. Eine Tatbestandsausnahme als „Kulturbeihilfe“ gemäß Art. 107 Abs. 3 d) AEUV kommt nicht bezüglich des gesamten öffentlich-rechtlichen Angebots, sondern nur bezüglich kulturspezifischer Sender oder Angebote in Betracht. Damit liegt in der Regel eine tatbestandliche Beihilfe vor.

Die Rechtfertigung über Art. 106 Abs. 2 AEUV erfordert eine möglichst präzise Definition der DAWI. Dazu muss bei neuen Angeboten geprüft werden, ob das Angebot – ganz im Sinne des primärrechtlichen Rundfunkprotokolls – die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen einer Gesellschaft befriedigt; diese Prüfung soll mindestens eine öffentliche Konsultation umfassen. Kommerzielle Tätigkeiten dürfen nicht Bestandteil der DAWI-Definition sein. Wird den Rundfunkanstalten die Entfaltung kommerzieller Tätigkeiten neben der DAWI-Erbringung erlaubt, ist eine getrennte Buchführung gemäß der Transparenzrichtlinie einzuführen und der Fremdvergleichsgrundsatz einzuhalten. Kommerzielle Tätigkeiten dürfen nur unter Marktbedingungen erbracht werden; das verbietet etwa Dumpingpreise auf dem Markt für Werbezeiten – eine Praxis, die in Deutschland bereits einer ARD-Werbevermarktungsgesellschaft durch den BGH auf Basis des UWG untersagt wurde.

Ein Blick in die Glaskugel
Mit dem nun gestarteten Konsultationsverfahren will die Kommission klären, ob mehr als 15 Jahre nach der letzten Novellierung der Rundfunkmitteilung Handlungsbedarf besteht. In dieser Zeit hat vor allem der Online-Bereich massiv an Bedeutung gewonnen, während das „klassische“, weil lineare Fernsehen an Reichweite verliert. Zusätzlich setzen Big Tech- und Streamingunternehmen die privaten Medienanbieter enorm unter Druck. Sie wehren sich deshalb dagegen, zusätzlich auch noch von öffentlich-rechtlicher Seite immer mehr Konkurrenz zu erhalten. Die deutschen Zeitungsverleger haben bereits im Mai 2024 eine Beihilfenbeschwerde bei der Kommission eingelegt: Sie kritisieren vor allem, dass die Rundfunkanstalten im Online-Bereich mit „presseähnlichen Angeboten“ tätig sind, was allerdings der Beihilfenkompromiss von 2007 nicht untersagte.

Den Ausgang der Konsultation vorherzusagen, gleicht dem berühmten Blick in die Glaskugel. Riskiert man aber diesen Blick, könnte sich folgendes Bild zeigen: Bei der Definition der öffentlich-rechtlichen DAWI ist es möglich, dass die Kommission die Anforderungen im Sinne eines Quasi-Marktversagenstests erhöht. Und zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit der staatlichen Finanzierung könnte eine strengere Trennung zwischen Auftrags- und kommerziellen Tätigkeiten vorgesehen werden. Hier hinkt auch Deutschland bislang noch zurück: So hatten beispielsweise die Länder 2007 im Beihilfenkompromiss zugesagt, dass die Rundfunkanstalten ungenutzte Rechte für Sportübertragungen an Dritte sublizenzieren. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung tritt aber erst am 01. Dezember im Rahmen des „Reformstaatsvertrags“ als neuer § 35 Abs. 5 MStV in Kraft.

In jedem Fall dürfte die Konsultation hierzulande die Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter befeuern. Bis zum 14. Januar 2026 haben nicht nur Stakeholder und Experten, sondern auch alle Bürger Gelegenheit, ihre Ansichten einzubringen.

RA Dr. Frederik Ferreau

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