Kommission veröffentlicht Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe

Am 19. Mai 2016 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung, die Aufschluss darüber geben soll, unter welchen Voraussetzungen öffentliche Investitionen der EU-Beihilfenkontrolle unterliegen. Die Bekanntmachung ist der letzte Teil der im Jahr 2012 von der Kommission eingeleiteten Initiative zur Modernisierung des Beihilfenrechts. Im Zuge dieser Modernisierung hat die Kommission bislang alle wichtigen Beihilfenleitlinien in dem Wunsch einer Vereinfachung aktualisiert.  Insbesondere ging es den Brüssler Wettbewerbshütern darum, darzustellen, wie unproblematische Beihilfemaßnahmen ohne vorherige Prüfung durch die Kommission durchgeführt werden können. Ob dies immer so gelungen ist, wird die Praxis zeigen. Jedenfalls gilt es anzuerkennen, dass die Kommission auf diese Weise versucht hat, Rechtssicherheit für diese komplexe Rechtsmaterie zu schaffen und gleichermaßen den Verwaltungsaufwand für Behörden und Unternehmen mit der Prüfung beihiflenrechtlicher Fragen zu verringern. Tatsächlich geht es der Kommission dabei selbstverständlich auch darum, Ressourcen der Kommissionsdienststellen für die Durchsetzung der Beihilfevorschriften in den Fällen mit der größten Auswirkung auf den Binnenmarkt freizuhalten.

Die Bekanntmachung erläutert, wie  öffentliche Investitionen in den Mitgliedstaaten so gestaltet werden können, dass der Wettbewerb nicht verfälscht wird. Sie beschreibt zunächst unter welchen Voraussetzungen öffentliche Investitionen  schon keine staatlichen Beihilfen darstellen. Neben den Erläuterungen zu einer Reihe von Fragen, die bei öffentlichen Investitionen besonders wichtig sind, wie z.B. Den Voraussetzungen des „private Investor Tests“, enthält die Bekanntmachung allgemeine Hinweise zu allen Aspekten des Begriffs der staatlichen Beihilfe. Dies geschieht durch eine systematische Zusammenfassung der Rechtsprechung der EU-Gerichte und der Beschlusspraxis der Kommission.

Die Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe enthält Erläuterungen zu folgenden besonders wichtigen Punkten:

  • Öffentliche Investitionen für den Bau oder die Modernisierung von Infrastruktur stellen keine staatliche Beihilfe dar, wenn die betreffende Infrastruktur nicht unmittelbar mit anderen Infrastrukturen der gleichen Art im Wettbewerb steht. Die Mitgliedstaaten können solche Vorhaben daher laut der Bekanntmachung durchführen, ohne dass sie vorher nach den EU-Beihilfevorschriften geprüft werden müssen. Dies ist in der Regel bei Straßen- und Eisenbahninfrastruktur, Binnenwasserstraßen sowie Wasserversorgungs- und Abwassernetzen möglich.
  • Im Gegensatz dazu stehen Infrastrukturen in Bereichen wie Energie, Breitband, Flughäfen oder Häfen häufig im Wettbewerb mit ähnlichen Infrastrukturen. Wenn in diesen Bereichen ein Vorhaben mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, während konkurrierende Vorhaben ohne staatliche Förderung auskommen müssen, kann dies dem geförderten Vorhaben einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil gegenüber nichtgeförderten Konkurrenzprojekten verschaffen. Daher müssen solche Finanzierungen vorab von der Kommission nach den EU-Beihilfevorschriften geprüft werden.
  • Selbst wenn eine Infrastruktur mit Hilfe staatlicher Beihilfen gebaut wird, liegen keine Beihilfen auf der nachfolgenden Ebene für den Betreiber und die Nutzer vor, wenn diese einen marktüblichen Preis zahlen. Wenn eine Infrastruktur mit Hilfe öffentlicher Zuwendungen gebaut wird, die als mit den EU-Vorschriften im Einklang stehende staatliche Beihilfen zu erachten sind, muss die Behörde sicherstellen, dass diese Beihilfen nicht an den Betreiber oder die Nutzer dieser Infrastruktur weitergegeben wird. Dies ist laut der Bekanntmachung gewährleistet, wenn der Betreiber bzw. der Nutzer einen marktüblichen Preis für den Betrieb bzw. die Nutzung der betreffenden Infrastruktur zahlt, der beispielsweise das Ergebnis eines offenen, transparenten, diskriminierungs- und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens ist.

Die EU-Beihilfenkontrolle konzentriert sich schließlich auf öffentliche Investitionen mit grenzübergreifenden Auswirkungen. Zuwendungen für rein lokale Infrastrukturen oder lokale Dienstleistungen, die kaum von Kunden aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden dürften und die allenfalls marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen haben, fallen nicht unter die EU-Beihilfevorschriften.

Beispiele: Die Europäische Kommission hat im April 2015 festgestellt, dass sieben staatliche Maßnahmen zur Förderung rein lokaler Vorhaben keine staatlichen Beihilfen beinhalten, da nicht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zu rechnen ist (nähere Einzelheiten hier).

Öffentliche Zuwendungen für bestimmte kulturelle Aktivitäten, die nicht kommerzieller Art sind, sondern kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr zugänglich gemacht werden, unterliegen nicht den Beihilfevorschriften.

Beispiel: Im Rahmen seiner Kulturpolitik verfolgt ein Mitgliedstaat das Ziel, dass alle Bürger zu bezahlbaren Preisen Zugang zu Kunst, Theater und klassischer Musik haben. Einige Museen, Theater und Opernhäuser verkaufen daher Eintrittskarten zu niedrigen Preisen und erzielen nicht genügend Einnahmen, um ihre Kosten zu decken.Der Staat stellt diesen kulturellen Einrichtungen Mittel zum Ausgleich der Mindereinnahmen zur Verfügung. In diesem Fall unterliegt die öffentliche Förderung nicht der Beihilfenkontrolle.

Wenn Behörden Waren oder Dienstleistungen auf der Grundlage von Ausschreibungsverfahren beziehen, die mit den EU-Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe im Einklang stehen, bietet dies grundsätzlich hinreichend Gewähr dafür, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt.

Die Mitteilung steht seit dem 19.07.2016 auch in deutscher Sprache zur Verfügung.


Jan Deuster