Mit Urteil v. 24.03.2016, Az. I ZR 263/14, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen eines Landkreises an ein öffentliches Krankenhaus von der Pflicht zur Anmeldung bei der Europäischen Kommission befreit sind. Das Urteil steht nunmehr seit dem 12.06.2016 auf der Homepage des BGH zum Abruf bereit. Damit hat der Streit zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken und dem Landkreis Calw über die Frage der beihilferechtlichen Relevanz der kommunalen Krankenhausfinanzierung ein – möglicherweise nur vorläufiges – Ende gefunden.
Vorläufig deshalb, weil noch offen ist, ob sich die Europäische Kommission möglicherweise im Nachgang noch in den Rechtsstreit einschalten wird und ein Beihilfenprüfverfahren gegen die Bundesrepublik einleiten wird. So ist es im Falle des BVerwG-Urteils zur Finanzierung der Tierkörperbeseitigung geschehen, mit der Folge, dass dieses – damals rechtskräftige – Urteil nun mehr Makulatur ist und die Finanzierung der Tierkörperbeseitigung eine verbotene Beihilfe.
Vorerst ist das Urteil des BGH aber Erfolg zu Gunsten der kommunalen Krankenhausfinanzierung zu werten. Der Defizitausgleich für den Krankenhausbetrieb oder andere beihilfenrechtsrelevante Zahlungen, wie z.B. zinslose Darlehen oder die Übernahme von Bürgschaften, sind aber auch nach dem aktuellen Urteil nur in bestimmten rechtlichen Grenzen beihilfenrechtskonform zulässig. So hat der BGH klargestellt, dass die Zuschussgewährung nur dann beihilfenrechtskonform ist, sofern es sich bei den medizinischen Versorgungsleistungen der Krankenhäuser um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse handelt und der entsprechende Betrauungsakt den von der EU-Kommission vorgegebenen Transparenzanforderungen entspricht. Dies traf auf einen ersten Betrauungsakt vom 22. April 2008 z.B. nicht zu. Erst ein zweiter Betrauungsakt vom 19. Dezember 2013 erfüllte die Befreiungsvoraussetzungen vom Beihilfenverbot.
Gemäß dem Urteilstenor gilt Folgendes:
- „Die allein die öffentliche Hand treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung eines Kran- kenhausbetriebs auch im Fall seiner Unwirtschaftlichkeit (Betriebspflicht) rechtfertigt es, die medizi- nische Versorgung durch ein öffentliches Krankenhaus als dem staatlichen Defizit- ausgleich zugängliche Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV anzusehen.
- Die Voraussetzungen für die Betriebspflicht gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW sind ohne weiteres erfüllt, soweit ein öffentliches Krankenhaus in den Krankenhausplan aufge- nommen worden ist.
- Die Transparenzkriterien des Art. 4 der Entscheidung 2005/842/EG und des Be- schlusses 2012/21/EU sind keine rein formalen Regelungen, deren Nichteinhaltung ohne Rechtsfolgen bleibt; vielmehr sind staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichs- leistungen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung nur dann freigestellt, wenn sie die jeweils in den Artikeln 4 der Entscheidung und des Beschlusses genannten Vo- raussetzungen erfüllen.“
Interessant bleibt, dass der BGH das Berufungsgericht mit Blick auf den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013, die nicht den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Betrauung entsprachen, auf die jüngste Rechtsentwicklung zur Ausnahme von rein lokalen Dienstleistungen vom Beihilfenbegriff hinweist.
Danach sei „bei der Beurteilung der Frage, ob der vom Beklagten am 17. Dezember 2012 beschlossene Ausgleich der Jahresfehlbeträge der Kreiskliniken Calw für die Jahre 2012 und 2013 eine staatliche Beihilfe darstellt, zu prüfen, ob – wie die Revisionserwiderung geltend macht – eine rein lokale Fördermaßnahme ohne Auswirkungen auf den Handel innerhalb der Union vorliegt.“ Das Berufungsgericht müsse also prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen des Beklagten überhaupt um staatliche Beihilfen handelt.
Sollte sich dieser Hinweis bestätigen, würde die Finanzierung rein standardisierter Krankenhausleistungen, die sich – wie möglicherweise bei einem kommunalen Krankenhaus zutreffend – im Wesentlichen nur an die lokale Bevölkerung richten, sogar vollumfänglich aus dem Beihilfenrecht fallen – die Notwendigkeit einer Betrauung – die als Freistellungsakt nur für tatbestandliche Beihilfen erforderlich ist – entfiele somit vollständig. Andererseits muss in diesem Fall auch die Angebotsseite, also der Wettbewerb zwischen den Krankenhausbetreibern um den öffentlichen Auftrag bzw. den Zuschuss, berücksichtigt werden. Die Antwort wird also nicht leicht fallen.
Allein schon mit Blick auf diese Frage wäre es daher wünschenswert, wenn sich die Europäische Kommission in dieser Rechtssache noch einmal zur Frage der Krankenhausfinanzierung in Deutschland positioniert.
Zur Entscheidung des Berufungsgerichts wird auf den Blogbeitrag vom 15.12.2014 verwiesen.