Kippt der steuerliche Querverbund (endgültig)? EuGH wird über Beihilfencharakter entscheiden

Nachdem in den vergangenen Jahren bereits eine ganz Reihe steuerlicher Ausnahmetatbestände von der EU-Kommission aus beihilfenrechtlichen Gründen kassiert wurden, trifft es jetzt auch möglicherweise den sog. „steuerlichen Querverbund“. Mit Vorlagebeschluss vom 13.03.2019 – I R 18/19 – legte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vor, ob die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften in § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt. Die Entscheidung des EuGH ist für die Finanzierung von dauerdefizitären Leistungen, wie u.a. ÖPNV und kommunale Bäder, von erheblicher finanzieller Tragweite – kippt der Querverbund bricht für die Kommunen eine wichtige Finanzierungssäule kommunaler Daseinsvorsorge weg.

Sachliche Ausgangslage nach der aktuellen Pressemitteilung des BFH

Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Aus dem Betrieb einer Schwimmhalle erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 dauerhaft Verluste. Diese Verluste wurden vom Finanzamt nicht steuermindernd anerkannt.

Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt (BFH-Urteil vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961 (Bedburg Hau)).

Dementsprechend sieht der BFH auch in der Hinnahme der Dauerverluste durch die Eigengesellschaft im Streitfall eine vGA an die Stadt, mit der Folge, dass das Einkommen der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen ist. Dieser Rechtsfolge steht jedoch die durch das Jahressteuergesetz 2009 auch mit Wirkung für die Vergangenheit geschaffene Regelung des § 8 Abs. 7 S.1 Nr. 2 KStG entgegen, wonach die Rechtsfolgen einer vGA bei kommunalen Eigengesellschaften nicht zu ziehen sind, wenn sie ein sog. Dauerverlustgeschäft, wie z.B. beim Betrieb von Schwimmbädern aus gesundheitspolitischen Gründen oder den Betrieb eines Verkehrsunternehmens aus verkehrspolitischen Gründen, unterhalten.

Beihilfenrechtlicher Hintergrund gemäß Pressemitteilung des BFH

Der BFH wirft die Frage auf, ob die Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG eine staatliche Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist. Genehmigungspflichtig sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, die den innereuropäischen Wettbewerb verzerren können.

Der BFH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kommunalen Eigengesellschaften einen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA in den dort erfassten Fällen nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten.

In seinem Vorlagebeschluss geht der BFH von einem grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, überantwortet aber dem EuGH die verbindliche Klärung der im Streitfall bestehenden Auslegungsfrage.

Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall – wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift – müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission über eine mögliche Rechtfertigung der Maßnahme ausgesetzt werden.

In Folge wären nicht nur die ungekürzten Gewinne der profitablen Organgesellschaft vollständig zu versteuern. Dabei geht es nicht um die bilanzielle Verrechnung von Gewinnen und Verlusten (Quersubventionierung) innerhalb des Stadtwerkekonzerns, die z.B. über Betrauungsakte und öffentliche Dienstleistungsaufträge vom Beihilfenverbot freigestellt werden kann. Vielmehr macht durch die Qualifizierung strukturell bedingter Dauerverluste aus kommunalen Wirtschaftstätigkeiten, die man unter dem Oberbegriff „Daseinsvorsorge“ zusammenfasst, als verdeckte Gewinnausschüttung, diese Verrechnung keinen Sinn mehr. Denn der steuerliche Vorteil entfällt und damit auch der Liquiditätsvorteil im kommunalen Querverbund.

Der Finanzierungsvorteil über den steuerlichen Querverbund dürften bei einer entsprechenden Entscheidung des EuGH bis zu seiner Genehmigung durch die EU-Kommission (wenn eine Rechtfertigung überhaupt in Frage kommt) nicht mehr gezogen werden – bislang gewährte Vorteile müssten strenggenommen sogar zurückverlangt werden!

Würdigung durch den beihilfenblog

Zunächst gilt es die wirtschaftliche Auswirkung der Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG zu untersuchen. So dann sind deren wirtschaftlichen Folgen EU-rechtlich zu würdigen.

Wirkung der verdeckten Gewinnausschüttung

Wie schon der (nicht amtlichen) Überschrift des § 8 KStG entnommen werden kann, dient die Feststellung einer vGA der Ermittlung des steuerlich relevanten Einkommens. Gemäß KStR 2004 Nr. 36 Abs. 1. S. 1 ist eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen-den Gewinnverteilungsbeschluss beruht.

Die Feststellung einer vGA bezweckt demnach, die steuerliche Belastung wieder herzustellen, die bei angemessener Leistungsverrechnung im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter eigentlich entstanden wäre. Die Besteuerung des tatsächlichen Sachverhalts ist also zu vergleichen mit der Besteuerung eines fingierten Sachverhalts bei angemessener Leistungsverrechnung. Daher ist der Betrag der vGA dem Einkommen der Gesellschaft außerhalb der handelsrechtlichen Bilanz wieder hinzuzurechnen und auf Gesellschafterebene ist das Einkommen des Gesellschafters zu erhöhen.

Zur Feststellung der angemessenen Leistungsverrechnung im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter dient die fiktive Entscheidung eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, ob er den Vermögensvorteil einer Person, die nicht Gesellschafter der Gesellschaft ist, unter ansonsten gleichen Um-ständen ebenfalls nicht gewährt hätte. Nach der Würdigung des BFH im Urteil Bedburg-Hau, hätte ein fiktiver ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine strukturell dauerdefizitäre Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge jedenfalls nicht ohne einen finanziellen Aus-gleich übernommen.

Insofern handelt es sich strenggenommen beim steuerlichen Querverbund um einen Vermögensvorteil zu Gunsten der Kommune als Gesellschafterin. Denn bei einem Verlustausgleich auf gesellschaftsrechtlicher Basis ist der wirtschaftliche Vorteil stets darin zu sehen, dass die Kommune von Aufwendungen freigestellt werde, die sie andernfalls unmittelbar selbst hätte tragen müssen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine kommunale Pflichtaufgabe oder eine freiwillige Daseinsvorsorgeaufgabe handelt. In beiden Fällen sind die Verluste der Gesellschaft „gesellschaftsrechtlich“ veranlasst, weil sie jeweils aus der Übertragung einer Tätigkeit des Gesellschafters auf die Gesellschaft herrühren.

Die vGA-Grundsätze dienen demnach dazu, Stadtwerk und Kommune steuerlich wieder so zu stellen, als ob die Kommune den Ausgleich direkt aus ihren eigenem Haushalt gezahlt hätte. Dies bedeutet jedoch, dass das Einkommen aus den gewinnträchtigen Bereichen des Stadtwerks in voller Höhe besteuert würde. Der Vorteil des Querverbunds, die Daseinsvorsorgeleistung aus unversteuerten Einnahmen finanzieren zu können, ginge bei Anwendung der vGA-Grundsätze verloren. Zwar wäre weiterhin eine Querverrechnung im Stadtwerkkonzern möglich; dabei stünden dem Stadtwerkkonzern jedoch nicht mehr die gleiche Liquidität zur Verfügung, wie bei einem Absehen von den vGA-Grundsätzen, entsprechend der bisherigen Übung.

Im Ergebnis wird die strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit bei Anwendung der vGA-Grundsätze für die Kommune teurer. Denn in jeden Fall kann das Stadtwerk bei Feststellung einer vGA weniger Einkommen für defizitäre Daseinsvorsorgeleistungen aufbringen; im Zweifel muss die Kommune, als Gesellschafterin, für die Erbringung der Daseinsvorsorgeleistung sogar Kapital aus ihrem Haushalt nachschießen, um die Bilanz des Stadtwerks wie-der auszugleichen.

Im Fazit stellt das Absehen von den vGA-Grundsätzen somit in erster Linie einen wirtschaftlichen Vorteil für die Kommunen dar. Die Ausnahme von den vGA-Grundsätzen erhöht den Nettogewinn des Stadtwerkkonzerns. Diese zusätzliche Liquidität kann dazu genutzt werden, jene Verluste abzudecken, welche von einer Daseinsvorsorge erbringenden und dauerdefizitären Einrichtung strukturell verursacht werden.

Fraglich ist hingegen, ob die Ausnahme von den vGA-Grundsätzen darüber hinaus auch zu einem wettbewerblichen Vorteil für den Stadtwerkkonzern oder das jeweilige Daseinsvorsorge Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen führt. Denn mehr „Geld“ erhalten weder die eh dauerverlustträchtigen Daseinsvorsorgedienstleister noch der den Verlust ausgleichende Stadtwerkekonzern.

Zuzugeben ist dabei allerdings, dass aufgrund des steuerlichen Querverbunds ein Stadtwerkkonzern der Kommune Daseinsvorsorgeleistungen zu erheblich günstigeren Konditionen anbieten kann, als es einem normalen Unternehmen, bei Anwendung der üblichen steuerlichen Regeln möglich wäre.

Beihilfenrechtliche Würdigung

Das Europäische Beihilfenrecht dient dazu, den Wettbewerb innerhalb des europäischen Binnenmarktes vor Verfälschungen zu schützen . Daher ist jede Gewährung von Vorteilen an bestimmte Unternehmen, die den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt, gemäß Art. 107 Abs. 1 EG grundsätzlich verboten und kann nur in den in Art. 107 Abs. 2 und 3 sowie Art. 93 und Art. 106 Abs. 2 EG genannten Ausnahmefällen durch die Europäische Kommission im so genannten Notifizierungsverfahren des Art. 108 Abs. 3 EG genehmigt werden.

Zentraler Anknüpfungspunkt der Beihilfenrelevanz des steuerlichen Querverbunds ist somit die Frage, ob bestimmten Unternehmen durch die steuerliche Ausnahme wettbewerbsverzerrende Vorteile gewährt werden. Dies gilt es für die verschiedenen Beteiligten im Querverbund zu untersuchen.

Dabei können zwei Ebenen der möglichen Vorteilsgewährung im Querverbund unterschieden werden:

  • Zunächst die Verrechnungsebene, auf der durch die handelsrechtliche Verrechnung von Gewinnen und Verlusten über die Holding oder durch Gewinnabführungsverträge zwischen Gesellschaften der Trägerkörperschaft eine Quersubventionierung der verlustträchtigen Gesellschaft vorgenommen wird.
  • Sodann die Ebene der steuerlichen Einkommensermittlung, auf der eine Beihilfe in dem Verzicht auf Anwendung der vGA-Grundsätze des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG zu Gunsten der Unternehmen im Stadtwerkkonzern sowie der Kommune als Gesellschafterin begründet werden könnte.

Während die Frage, ob und wann eine Quersubventionierung innerhalb des Stadtwerkkonzerns, also die Verrechnung, den Beihilfentatbestand erfüllt, in der Entscheidungspraxis der Europäischen Institutionen und der Literatur hinreichend geklärt ist (Grundsätzlich: EuGH, Urt. v. 24.07.2003 -C-280/00 (Altmark Trans) – Slg. 2003, S. I-7747 ff.; vgl. auch den von Hüttemann selbst zitierten Aufsatz von Weitemeyer in StuW 2003, 326 ff.; umfassend und abschließend: Danner, „Quersubventionierung öffentlicher Unternehmen zur Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge“, Baden-Baden 2006 sowie Deuster, „Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“, Berlin 2007), wurde die Beihilfenrechtskonformität einer steuerlichen Ausnahme von den vGA-Grundsätzen auf Ebene der Einkommensermittlung bislang noch nie ausdrücklich beleuchtet.

Allerdings hat die Europäische Kommission sowohl durch Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über steuerliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung , als auch in ihrem Bericht über die Umsetzung dieser Mitteilung ihre Grundsätze für die beihilfenrechtliche Prüfung von steuerlichen Maßnahmen hinreichend beschrieben. Danach gilt wohl der folgende Grundsatz:

All companies, big and small, should pay their fair share of tax. If Member States give certain multinational companies tax advantages not available to their rivals, this harms fair competition in the EU. It deprives the public purse and EU taxpayers of much needed funds to fight climate change, to build infrastructure, to invest in innovation.

(Statement by Commissioner Margrethe Vestager following today’s Court judgments on two tax State aid cases (Fiat in Luxembourg and Starbucks in the Netherlands) vom 24 September 2019).

Mögliche Beihilfen zugunsten der Kommunen?

Da es sich bei dem steuerlichen Vorteil aus § 8 KStG nach den obigen Ausführungen um eine Vermögensverschiebung zwischen staatlichen Organisationseinheiten handelt, ist zunächst fraglich, ob die Kommunen als staatliche Untergliederung überhaupt Beihilfenempfänger sein können. Denn das Beihilfenverbot gilt lediglich gegenüber Unternehmen.

Unternehmer kann nach dem rein funktionalen Verständnis des Begriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit sein und damit auch der Staat selbst. Wirtschaftlich ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter und Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Die Abgrenzung von wirtschaftlicher und rein hoheitlicher Tätigkeit erfolgt also allein über Frage, ob die Tätigkeit potentiell im Wettbewerb mit anderen Unternehmen ausgeführt werden kann .

Dies kann für die klassischen Daseinsvorsorgedienstleistungen der Kommunen grundsätzlich bejaht werden, zumal es mehrere private Konzerne gibt, die das typische Daseinsvorsorgespektrum Energie-, Wasser- und Verkehrsversorgung sowie Abfallentsorgung ebenfalls vollumfänglich anbieten. Was aber den staatlichen Verlustausgleich für die jeweiligen Daseinsvorsorgetätigkeiten selbst angeht, mit denen die Kommunen die Erbringung dieser Dienste gewährleisten, also die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, so gibt es für diese Tätigkeit keinen wettbewerblichen Markt.

Bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt es sich um Leistungen, die der jeweilige Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte . Damit ist per definitionem  zwar die Ausübung dieser Dienste eine wirtschaftliche Betätigung aber nicht deren Finanzierung. Da die Ausnahme von den vGA-Grundsätzen ferner lediglich ein Surrogat für den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist, dient sie auch ausschließlich der Finanzierung der gemeinwirtschaftlichen Dienste und stellt damit keinen Vorteil zugunsten einer unternehmerischen Tätigkeit der Kommune dar.

Selbst wenn man die Unternehmereigenschaft der Kommunen diesbezüglich dennoch bejaht, käme man zu dem gleichen Ergebnis im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „Wettbewerbsverzerrung“.

Wettbewerbsverzerrend sind Maßnahmen, die die Stellung eines Unternehmens anderen Unternehmen, die im innergemeinschaftlichen Handel konkurrieren, gegenüber verstärken . Bezüglich der Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Leistungen steht die Kommune jedoch nicht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen und insbesondere auf Grund der örtlichen Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen auch nicht im Wettbewerb mit anderen Kommunen.

Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen können auf Grund des ihnen immanenten Marktversagens ja bereits definitionsgemäß nicht im Wettbewerb im jeweiligen Daseinsvorsorgemarkt erbracht werden, so das dritte, private Anbieter von Daseinsvorsorgeleistungen gleichermaßen auf den Verlustausgleich durch die kommunalen Aufgabenträger angewiesen wären, um diese Leistungen überhaupt anbieten zu können.

Die Finanzierung über den Querverbund stellt damit ebenfalls ein Finanzierungssurrogat dar: Diesmal allerdings für den direkten Verlustausgleich aus dem Haushalt der Kommune an ein mit gemeinwirtschaftlichen Pflichten betrautes Unternehmen. Für die Finanzierung dieser Aufgaben kann es jedoch dahinstehen, ob das Ausgleichsvolumen allein aus dem kommunalen Haushalt stammt oder im kommunalen Querverbund aus verschiedenen staatlichen Finanzierungsquellen herrührt – also zum einen aus dem Verzicht auf Gewinnausschüttung seitens der öffentlichen Trägerkörperschaft, zum anderen aus dem Verzicht auf Steueraufkommen in Höhe der vGA durch Bund, Land und Kommune.

Soweit also das Absehen von den vGA-Grundsätzen einen wirtschaftlichen Vorteil für die Kommunen bei der Finanzierung von Daseinsvorsorgeaufgaben darstellt, ist allein darin keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV zu sehen.

Mögliche Beihilfen zugunsten des Stadtwerkkonzerns?

Was den wirtschaftlichen Vorteil für den Stadtwerkkonzern als Adressat der steuerlichen Re-gel angeht, so ist ebenfalls fraglich, ob durch diesen Vorteil der Wettbewerb verzerrt wird.

Die Beihilfenprüfung beschränkt sich nie allein auf Adressaten, die eine steuerliche Ausnahmereglung in Anspruch nehmen dürfen. Zu berücksichtigen sind vielmehr die konkreten Auswirkungen der Beihilfe, so dass alle Unternehmen als Beihilfenempfänger anzusehen sind, denen die Beihilfe tatsächlich zugutekommt. Nur so kann dem Zweck des Beihilfenverbots Rechnung getragen werden, jegliche wettbewerbsverzerrende Vorteilsgewährung zu unterbinden. Es ist also im Ergebnis eine konzernweite Betrachtung möglicher wettbewerbs-verzerrender Vergünstigungen vorzunehmen.

Bezüglich der gewinnträchtigen Unternehmen im Stadtwerkkonzern – insbesondere den Energieversorgungsunternehmen – fehlt es jedoch schon an jeglicher vorteilhaften Zuwendung für deren wirtschaftliche Betätigung im Markt. Da jene Unternehmen in der Regel ihre Gewinne an die verlustbringende Schwestergesellschaft oder an eine Holdingebene abführen, verbleibt ihnen aus der steuerlichen Ausnahmeregelung kein Vorteil für ihre unternehmerische Tätigkeit in den jeweiligen wettbewerblichen Märkten auf denen diese Unternehmen tätig sind. Die Ausnahmeregelung kommt also nicht den gewinnträchtigen Stadt-werkunternehmen zugute.

Beihilfenrechtskonforme Quersubventionierung zwischen Unternehmen im Stadtwerkkonzern

Fraglich ist schließlich welche Beihilfenrelevanz der steuerliche Querverbund für die verlustträchtigen Daseinsvorsorgeunternehmen im Stadtwerkkonzern selbst hat.

Bezüglich der Quersubventionierung innerhalb des Stadtwerkkonzerns wurde lange in Deutschland Zeit diskutiert, ob es sich bei dem internen Verlustausgleich überhaupt um eine staatliche Zuwendungen handelt, sowie, ob es sich bei Ausgleichzahlungen für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen zu Gunsten und im Auftrag der Gesellschafterin um einen beihilfenrelevanten Vorteil handelt.

In der Entscheidungspraxis des EuGH und der Europäischen Kommission steht jedoch mittlerweile fest, dass trotz der rein gesellschaftsinternen Vermögensverschiebung der kommunale Querverbund als eine dem Staat zurechenbare Zuwendung anzusehen ist. Denn wie auch im Steuerrecht ist im Beihilfenrecht stets eine objektive, wirtschaftliche Betrachtung von Lebenssachverhalten vorzunehmen. Für den Beihilfenbegriff spielt es daher keine Rolle, ob der Ausgleich direkt aus öffentlichen Kassen oder lediglich über einen internen Finanzausgleich zwischen verschiedenen Sparten des öffentlichen Unternehmens gewährt wird. Die Quersubventionierung im Stadtwerkkonzern ist der staatlichen Einheit aber nur dann zuzurechnen, wenn sie die Vermögensverschiebung gesellschaftsrechtlich veranlasst hat. Dies gilt aber z.B. auch schon dann, wenn die Subventionierung einer Unternehmenssparte von der Kommune initiiert wird, um dem Unternehmen insgesamt Steuern zu ersparen , was für den kommunalen Querverbund stets der Fall ist.

Das Beihilfenrecht versagt den Mitgliedstaaten jedoch nicht, gemeinwohlorientierte Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, die sich über den Markt selbst nicht finanzieren können. Für solche Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die in Deutschland mit dem Begriff Daseinsvorsorge gleichgesetzt werden, sieht der EG-Vertrag in den Art. 106 Abs. 2 AEUV sogar eine ausdrückliche Funktionsgarantie vor. Der Finanzausgleich für die strukturellbedingten Defizite dieser Leistungen ist jedoch nur beihilfenrechtskonform, soweit entweder vier im Altmark Trans-Urteil des EuGH entwickelte Kriterien zur Vermeidung von Überkompensationen eingehalten werden oder die auf dessen Grundlage entwickelten Freistellungsinstrumente (z.B. VO (EG) Nr. 1370/2007 für Verkehrsleistung oder der Freistellungsbeschluss 2012/21/EZ für andere DAWI-Tätigkeiten) genutzt wird..

Isoliert der Verlustausgleich für die strukturell dauerdefizitären Leistungen der Daseinsvorsorge im Querverbund kann also nach Maßgabe der Altmark Trans-Kriterien oder gemäß diverser Freistellungsentscheidungen oder für den Fall einer positiven Notifizierungsentscheidung der Europäischen Kommission vor Auszahlung der Subventionen jeweils beihilfenrechtskonform sichergestellt werden. Danach ist aber allein die Querfinanzierung im Querverbund – entweder in Höhe eines marktkonformen Ausgleichs oder bei einer Freistellung oder Notifizierung in Höhe der tatsächlichen bzw. genehmigten Kosten – zulässig. Der steuerliche Vorteil lässt sich so aber nicht rechtfertigen, weil er auf der Ebene der Quersubventionierung gemeinwirtschaftlicher Leistungen keine Wirkung entfaltet.

Gleichbehandlungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot

Was bleibt, ist schließlich die Aussage von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager vom 24.09.2019, wonach steuerliche Regelungen grundsätzlich für alle Unternehmen gleich gelten müssen.

Das letzte Postulat für eine EU-rechtliche Ausnahme von der Qualifikation als verdeckte Gewinnausschüttung ist somit die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und allgemeinen Diskriminierungsverbots. Die Ausnahmeregelungen für den Querverbund müssen in gleichgelagerten Fällen unterschiedslos gelten, gleich ob das Unternehmen, das Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnimmt, ein öffentliches (kommunales) Unternehmen ist oder privaten Gesellschaftern gehört. Gleichfalls darf es keinen Unterschied machen, ob der Dienstleister seinen Hauptsitz in Deutschland haben.

Soweit demnach allein öffentlich beherrschte Unternehmen in den Genuss der Ausnahme von den vGA-Grundsätzen kämen, können sie für den Erwerb der Konzession bzw. Des Auftrages stets günstigere Preise anbieten, als ihre privaten Konkurrenten und würden somit durch diese Ausnahmeregel gegenüber ihren tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbern besser gestellt.

Im Hinblick auf diese Finanzierungsvorteil wäre nicht auszuschließen, dass die Existenz des steuerlichen Querverbunds einen Anreiz für die Kommunen schafft, lediglich ihre eigenen Unternehmen im Querverbund mit Leistungen der Daseinsvorsorge zu betrauen, statt in wettbewerblichen, offenen Verfahren Konzessionen zu vergeben oder öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) mit privaten Unternehmen zu suchen. Daher könnte eine gesetzliche Regelung, die von vorneherein nur für den Querverbund zwischen öffentlichen Unternehmen anwendbar ist, diskriminierend und somit rechtswidrig sein.

Fazit

Rechtliche Bedenken gegen das Institut des steuerlichen Querverbundes gibt es schon seit Jahrzehnten. Nun erfährt der steuerliche Querverbund tatsächlich seine Schicksalsprüfung und es tritt insoweit die Prophezeiung von Hüttemann ( Der Betrieb“ 2007, 2508 ff .) ein, wonach „.. über die Zukunft des steuerlichen Querverbunds letztendlich, nicht in Berlin, sondern in Brüssel“ entschieden werde.

Der steuerliche Querverbund als Finanzierungsquelle für kommunale Daseinsvorsorgeleistungen ist dabei jedoch weniger ein Beihilfenrechtsproblem als eine Frage des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots. Erst durch den Verstoß gegen diese dem Europarecht immanenten Grundprinzipien erhält der Querverbund zusätzlich Beihilfenrechtsrelevanz. Werden diese beiden Gebote bei einer (ggf. noch erforderlichen weitergehenden gesetzlichen) Absicherung des Querverbunds beachtet, kommt der Ausnahme von den vGA-Grundsätzen selbst, als Surrogat für den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen, keine weitere Beihilfenqualität zu.

Es ist daher nun ausschließlich eine Frage des nationalen politischen Willens, ob man den Kommunen dieses Finanzierungsinstrument für Daseinsvorsorgeleistungen belassen will.

Viele Kommunen wären ohne den steuerlichen Querverbund nicht mehr in der Lage, ihr Daseinsvorsorgeangebot im derzeitigen Umfang anzubieten. Fairerweise müsste daher bei einem Ausfall des steuerlichen Querverbunds als Finanzierungsquelle eigentlich der innerstaatliche Finanzausgleich zugunsten der Kommunen angepasst werden. Die Kommunen bedürfen also in jedem Fall einer Erhöhung ihres Finanzierungsvolumens für ein qualitativ ausreichendes Daseinsvorsorgeangebot.

Es sprechen somit gute Gründe dafür, den steuerlichen Querverbund als bewährtes, einfaches und effektives Instrument für die Gewährleistung dieser Aufgaben beizubehalten und durch eine neue europarechtskonforme Regelung zu ersetzen.

Idealerweise würden die bestehenden Regelungen jetzt überarbeitet, bevor der EuGH endgültig ein Urteil über den Querverbund spricht.

Ein Gedanke zu “Kippt der steuerliche Querverbund (endgültig)? EuGH wird über Beihilfencharakter entscheiden

  1. Tobias schreibt:

    Mittlerweile gibt es wieder neue Vorlage beim EuGH durch den BFH (BFH, Az. I R 20/20. Vorinstanz Finanzgericht Hessen, Urteil vom 6. April 2020, Az. 4 K 1112/18).

    Kann hier schon eine Entscheidungsrichtung herausgesehen werden?

    Bei einer negativen Entscheidung und einem untätig bleiben des Gesetzgebers hätten Querverbund-Holdings ansonsten dann keinen praktischen Nutzen mehr und könnten aufgelöst werden. Die Gewinnabführung eines Stadtwerks würde direkt an die Kommune erfolgen; gleichso würde der Verlustausgleich für bspw. die ÖPNV-Gesellschaft direkt von der Kommune übernommen.
    Durch die fehlende steuerliche Verlustverrechnung bleibt der Kommune weniger Liquidität und damit auch weniger Investitionspotenzial.

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